Energiebilanz 2020

für Wr.Neustadt

Die österreichische Regierung hat sich im aktuellen Regierungsprogramm[1] zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 die Klimaneutralität zu erreichen. Der Treibhausgasausstoß durch die Verwendung fossiler Energieträger soll also innerhalb von 20 Jahren auf „Netto-Null[2] reduziert werden

Diese Bilanz soll aufzeigen, welchen Beitrag die Stadt Wr.Neustadt leisten kann und muss, um das Ziel „Netto Null“ bis 2040 zu erreichen.

Zu diesem Zweck wird nicht der aktuelle Treibhausgasausstoß herangezogen, sondern der leichter messbare fossile Energieverbrauch der Stadt. Ohne Beendigung der Nutzung fossiler Energieträger ist das Ziel der Klimaneutralität nicht zu erreichen.

Ausgangspunkt dieser jährlich geplanten Untersuchung ist daher der aktuelle Verbrauch fossiler Energieträger durch die Stadt Wr.Neustadt. Erst dadurch kann in weiterer Folge festgestellt werden, in welchem Ausmaß die politischen Verantwortungsträger jährlich Anpassungsmaßnahmen umsetzen müssen, damit die notwendige Reduktion des fossilen Energieverbrauches gelingt.

Der dafür notwendige  Beitrag der Stadt Wr.Neustadt soll nachvollziehbar dargestellt werden. Zur besseren Übersicht wird der Energieverbrauch in kWh pro Person und Tag angegeben. Jahresvergleiche und Entwicklungen in der Zukunft werden damit transparent[1]

Der zuletzt veröffentlichte Endenergieverbrauch[2] für das Jahr 2019 beträgt 1.676,5 GWh[3].  Die Anzahl der Einwohner mit Hauptwohnsitz in Wr.Neustadt betrug 2019 45.277 Personen[4]Es errechnet sich daraus ein Energiebedarf von 101 kWh pro Person und Tag[5].

Der Anteil der fossilen Energie an der Endenergie beträgt 76 kWh / Person und Tag[6], das sind 75% des Gesamtendenergieverbrauches. Somit kommen derzeit lediglich 25 kWh aus erneuerbaren Energiequellen (i.e. 422 GWh).

 

Der Strombedarf pro Jahr betrug lt. NÖ LReg im Jahr 2019 260,8 GWh (d.s. 15,5% der Endenergie). Davon entfielen 70,1 GWh auf Privathaushalte und 190,7 GWh auf Betriebe. Der Wärmebedarf aus Erdgas beträgt 312,6 GWh, davon fallen 154,2 GWh für Privathaushalte und 158,4 GWh für Betriebe an.

Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, muss Wr.Neustadt daher rechnerisch den fossilen Energieanteil jährlich um 3,8 kWh[1] pro Person und Tag (oder 63 GWh / Jahr[2]) reduzieren.

Diese Reduktion muss bei gleichbleibendem (oder gar steigendem) Energieverbrauch durch den Ausbau lokaler oder den Zukauf überregional erzeugter erneuerbarer Energie kompensiert werden.

Um feststellen zu können, wie viel erneuerbare Energie derzeit innerhalb der Stadtgrenzen von Wr.Neustadt erzeugt wird, müssen die Quellen erneuerbarer Energien näher untersucht werden. Das sind Wasserkraft, Windkraft, Sonnenkraft, Biomasse, Wärmepumpen und Geothermie.

Bemerkenswert ist, dass es bis dato keine Gesamterfassung des Ertrages und des Potentials an erneuerbarer Energie in Wr.Neustadt gibt. Nachstehende Daten konnten ermittelt werden:

[1] 76 kWh : 20 Jahre

[2] Zum Vergleich: die neue Biogasanlage in der Heideansiedlung erzeugt jährlich 2.900 MWh, somit lediglich 4,6 % des zusätzlichen jährlichen Bedarfs an erneuerbarer Energie

Wasserkraft

Entlang des Wr.Neustädter Kanals im Gemeindegebiet gibt es 7 Wasserkraftwerke. 5 davon (KW Akademie, KW Bauhof, KW Brunnefeld, KW Föhrenwald, KW Ungarfeld) werden von der EVN betrieben und haben einen langjährigen Durchschnittsertrag von ca.13 GWh / Jahr. Damit werden rechnerisch 0,78 kWh pro Person und Tag abgedeckt. Von den anderen Betreibern gibt es keine öffentlich zugänglichen Daten. Die Möglichkeit eines weiteren Ausbaues der Wasserkraft gibt es nicht bzw. wird nicht  angestrebt.

Windkraft

Windkraft wird in Wr.Neustadt nicht genutzt und gibt es auch keine diesbezüglichen Ausbaupläne. Auf Grund der Flughäfen und der Abstandsregeln zu Wohngebäuden sind für Wr.Neustadt keine Windzonen ausgewiesen.

Das theoretische Potential an Windkraft wurde bis dato nicht erhoben und ist daher unbekannt. 

Sonnenkraft

PV-Anlagen können auf Dächern und auf Freiflächen installiert werden. Im Rahmen einer Potentialanalyse wurde die PV-Eignung aller Dachflächen in Wr.Neustadt erhoben. Demnach beträgt die theoretisch nutzbare Kollektorfläche 1.734.480 m². Das theoretische Solarpotential beträgt 240,6 GWh oder 14,5 kWh pro Person und Jahr. Davon erzeugt werden derzeit mit 458 Anlagen nur 5,192 GWh[1] oder 0,31 kWh pro Person und Jahr. Somit wird das PV-Dach-Potential nur zu 2,1 % ausgenutzt.

Auf Gemeindegebäuden sind 18 Anlagen mit einer Nennleistung von 387 kWp installiert. Das entspricht einem Jahresdurchschnittsertrag von 0,387 GWh.  

Bio Masse

In Wr.Neustadt gibt es laut EVN  derzeit 5 Fernwärmekraftwerke (Molkereistraße – Bioenergie WN GmbH; Civitas Nova; Abwärme von Fundermax; Bräunlichgasse; Landesklinikum), mit einem Ertrag von ca. 90 GWh / Jahr, wovon 80%, sohin 72 GWh oder 4,2 kWh pro Person und Tag aus Biomasse stammt.

Weiters gibt es die Biogas Abfallbehandlung WN, welche 1.200 MWh Strom und 1.700 MWh Wärme pro Jahr für den Eigenverbrauch erzeugt, d.s. weitere 0,17 kWh pro Person und Tag.

Beim Material für die Biomasse handelt  es sich (offensichtlich) großteils um Holz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Wälder einen wertvollen Beitrag als CO2-Speicher, Sauerstoffproduzenten und Feinstaubfilter leisten (CO2 Senkenfunktion). Bei einer Übernutzung kann es daher zu nachteiligen Gegeneffekten kommen.

Ausbaupläne, insbesondere der Bau von „Power to Gas“ Anlagen zur Einspeisung von „grünem Gas“ in das bestehende Gasnetz sind derzeit nicht geplant bzw. bekannt. Das Potential an Biomassekraft kann daher nicht näher erhoben werden.

Wärmepumpen und Geothermie:

Ertrag 3,4 GWh / Jahr, d.s, 0,2 kWh pro Person und Tag  

 

Zusammenfassend beträgt der Anteil der innerhalb des Gemeindegebietes von Wr.Neustadt erzeugten erneuerbaren Energie lediglich 5,66 kWh pro Person und Tag oder 93,5 GWh /Jahr, d.s. 5,5 % des Gesamtendenergieverbrauches.

Die Atmosphäre und das Klima sind Gemeingüter[1]. Anders als im Bereich der Privatgüter, für die es je nach Betroffenheit umfangreiche Schutzrechte[2] gibt, ist der Schutz von globalen Gemeingütern, wie eben dem Klima, weitestgehend von politischen Absichtserklärungen[3] dominiert.  Subjektive Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche im Sinne eines Verbotes einer Übernutzung fossiler Energien sind (noch) nicht vorgesehen (z.B. Klimaklagen).

Der Schutz unseres Klimas – und damit unserer Lebensgrundlage – kann daher nur indirekt über die politische Verantwortlichkeit erreicht werden. Diese Verantwortlichkeit wird aber oft mit dem Argument nicht wahrgenommen und umgesetzt, dass der „eigene Beitrag global gesehen keinen Unterschied macht“. Klimaschutz kann sinnvoll aber nur erreicht werden, wenn die  Frage „wer muss was tun“ mit der Frage „wer kann was machen“ kombiniert wird.

Die Lücke zur Erreichung der Klimaneutralität klafft sohin sehr weit auseinander. Das Ausbaupotential für erneuerbare Energiequellen ist räumlich, technisch, ökologisch und ökonomisch beschränkt. Experten der TU Wien haben errechnet, dass bei einem optimalen Ausbau sämtlicher realistisch vorhandener Möglichkeiten österreichweit ca. 40% des derzeitigen Energiebedarfs mit erneuerbarem Strom abgedeckt werden können[4].

Zur Erreichung der Klimaneutralität muss es daher zusätzlich zu einer massiven Steigerung der Energieeffizienz (z.B. E-Motor statt Verbrennungsmotor) und last but not least zu einer noch viel stärkeren Reduktion des Energieverbrauches[5] (z.B. Rad statt Auto) kommen.

Allein der Verkehr (Mobilität) verursacht einen fossilen Energiebedarf pro Jahr von 475 GWh[6], d.s. 28,3% der gesamten Endenergie. Durch den Umstieg auf eine „sanfte Mobilität“ könnten allein in diesem Bereich enorme CO2-Einsparungen erreicht werden.

Nur ein politisch verbindlicher „Masterplan Klimaneutralität 2040“ einschließlich jährlicher Zwischenberichte kann für die Stadtregierung Handlungsanleitung zur Verwirklichung kontinuierlicher Reduktion des fossilen Energieverbrauchs sein.

Die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie ist eine von vielen notwendigen Maßnahmen um die Klimaziele zu erreichen. Aber auch  hier wird das Potenzial sogenannter Co-Effekte hoch eingeschätzt (Europäische Kommission, IPCC). Dazu liegen derzeit aber nur makroökonomische bzw. globale Abschätzungen vor.

statistische Daten zu Wr.Neustadt auf einen Blick: https://www.statistik.at/blickgem/gemDetail.do?gemnr=30401

[1] Regierungsprogramm Seite 102ff https://www.dieneuevolkspartei.at/Download/Regierungsprogramm_2020.pdf

[2] i.e. alle durch Menschen verursachte Treibhausgasemissionen müssen soweit reduziert werden, dass nach Abzug sämtlicher natürlicher und künstlicher Senken diese Null betragen

[3] weil Veränderungen in der Einwohnerzahl der Stadt damit berücksichtigt werden

[4] Endenergie ist die  Energie, die  beim Endkunden ankommt und verbraucht werden kann

[5] Energiemosaik: https://www.energiemosaik.at/portfolios/60101 – Wiener Neustadt (abgerufen am 04.06.2020)

[6] http://www.noe.gv.at/noe/Wiener_Neustadt.html#bevoelkerung (abgerufen am 04.06.2020)

[7] Zum Vergleich dazu: Der Energiemindestbedarf pro Person beträgt (an täglicher Nahrungsenergie) 2,78 kWh (= ca. 2.400 kcal). Der tatsächliche Energieverbrauch entspricht sohin dem 36-fachen des absoluten Energieminimums pro Tag.

[8] i.e. das ist ca. die 27-fache Energiemenge, die ein Mensch durch die Nahrungsaufnahme täglich zu sich nehmen muss (2.400 kcal = 2,78 kWh)

[9] 76 kWh : 20 Jahre

[10] Zum Vergleich: die neue Biogasanlage in der Heideansiedlung erzeugt jährlich 2.900 MWh, somit lediglich 4,6 % des zusätzlichen jährlichen Bedarfs an erneuerbarer Energie

[11] https://www.umweltgemeinde.at/download/?id=3830 (Platz 209)

[12] diese stehen allen Menschen zur Nutzung offen

[13] z.B. Unterlassungsansprüche (siehe z.B. § 364 Abs 2 ABGB) und subjektiv öffentliche  Rechte (siehe z.B. § 6 NÖ BauO)

[14] z.B.  UN-Klimaschutzabkommen von Paris  vom 12.12.2015, wonach die globale Erwärmung „deutlich unter 2 °C“ gegenüber vorindustriellen Werten begrenzt werden soll

[15] https://www.youtube.com/watch?v=JRs5MAvRHh8&t=474s

[16] Energiesuffizienz

[17] Energiemosaik: https://www.energiemosaik.at/portfolios/60101 – Wiener Neustadt (abgerufen am 04.06.2020)

Autor: Christian Kühteubl